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Drei Fragen an KomIn – Kompetenzorientierte Interaktionsarbeit in der Pflege

„Drei Fragen an…“ ist ein Kurzinterview-Format, in dem Projekte aus dem Förderschwerpunkt über ihre Arbeit berichten.

Datum 09.03.2022

Die Arbeit in der Pflege ist stets mit neuen Anforderungen verbunden: umfangreiche Dokumentationspflichten, digitale Arbeitsmittel und eine zunehmende Heterogenität der Pflegebedürftigen stellen die Beschäftigten vor immer neue Herausforderungen. Fachwissen und Qualifikation allein reichen oft nicht mehr aus, vielmehr braucht es ein ganzes Set aus Kompetenzen bzw. eine umfassende berufliche Handlungskompetenz. Doch welche Kompetenzen konkret eine Schlüsselrolle bei der Interaktionsarbeit (hier verstanden als Kooperations-, Gefühls-, Emotionsarbeit und subjektivierendes Arbeitshandeln) in der Pflege einnehmen, ist bisher kaum erforscht. Hier knüpft das Projekt KomIn an, indem nicht nur untersucht wird, welche Kompetenzen notwendig sind, sondern auch wie diese gefördert werden können.

KomIn ist ein Verbundprojekt, an welchem folgende Akteure beteiligt sind:

  • Pädagogische Hochschule Freiburg / Institut für Berufs- und Wirtschaftspädagogik / Fachbereich Berufliche Bildung für Gesundheit und Nachhaltigkeit
  • BiG Bildungsinstitut im Gesundheitswesen, Essen
  • APH Altenpflegeheime der Stadt Wuppertal
  • APZ-MKK Altenpflegezentren des Main-Kinzig-Kreises, Rodenbach
  • die pflegezentrale Kranken- und Altenpflege GmbH (PZ), Duisburg

1. Welche Kompetenzen sind in der interaktiven Pflegearbeit von Bedeutung?

Um Antworten auf diese Frage zu finden, wurden bei den drei Praxispartnern standardisierte Online-Befragungen zur Arbeitssituation und den Merkmalen der Interaktionsarbeit durchgeführt. Es wurden insgesamt 209 Pflegende (Pflegefachkräfte, PflegehelferInnen, BetreuerInnen) befragt. Ergänzend wurden 12 problemorientierte Interviews mit PflegehelferInnen, 14 mit Pflegefachkräften und 5 mit Führungskräften geführt. Im Rahmen der Analyse der empirischen Daten konnten 207 wesentliche Tätigkeiten und Einstellungen identifiziert werden, aus denen wiederum zentrale Kompetenzbereiche abgleitet werden konnten: Neben fachlichen und digitalen Kompetenzen ist die Dialogbereitschaft gegenüber Pflegebedürftigen wie auch die Konfliktfähigkeit in der Zusammenarbeit im Team besonders wichtig für die Kooperationsarbeit. Für die Emotionsarbeit, also die Regulierung der eigenen Empfindungen, sind vor allem Selbstführung und Ambiguitätstoleranz bedeutsam. Die Gefühlsarbeit bezieht sich auf den Umgang mit Emotionen von Pflegebedürftigen und ihren Bezugspersonen. Hierfür ist Lösungsorientierung und Machtsensibilität wichtig, um z. B. zu reflektieren, inwiefern sich die Machtasymmetrie zwischen Pflegekraft und PflegeempfängerIn gestaltet und wie diese zum Wohl der zu Pflegenden konstruktiv eingesetzt werden kann. Das subjektivierende Arbeitshandeln basiert auf der individuellen Wahrnehmung der eigenen Umwelt. Und sowohl die eigene Erfahrung als auch die individuelle Intuition haben Auswirkungen auf jenes Arbeitshandeln. Um als Pflegekraft mit dem eigenen erfahrungsgeleiteten Handeln reflexiv umgehen zu können, stellt die Selbstführung auch in dieser Dimension der Interaktionsarbeit eine zentrale Kompetenz dar. Die kollektive Orientierung und auch die Lösungsorientierung sind Kompetenzen, die für die Zusammenarbeit im Team, insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Kompetenz- und Qualifikationsheterogenität der Pflegenden, bedeutsam sind. Um partizipativ an den Veränderungen in der Organisation teilhaben zu können, ist vor allem der Kompetenzbereich Veränderungsenergie von hoher Relevanz. Die Fähigkeit und Bereitschaft zur individuellen Entwicklung und Partizipation an betrieblichen Veränderungsprozessen (Veränderungsenergie) ist in einem dynamischen Arbeitsfeld wie der Pflege von hoher Relevanz.

2. Inwiefern können die Kompetenzen gefördert werden?

In KomIn werden vor allem zwei Wege der Kompetenzförderung verfolgt:

  1. Die identifizierten Kompetenzen werden mit Verhaltensbeschreibungen operationalisiert, um so eine Erfassung der Kompetenzausprägung ermöglichen zu können. Mit Hilfe einer webbasierten Applikation kann zum einen eine Selbsteinschätzung bzgl. der Kompetenzausprägung durch die Pflegenden vorgenommen werden. Zum anderen kann durch die jeweilige Führungskraft auch eine Fremdeinschätzung erfolgen. Beide Perspektiven – Selbst- und Fremdbild – können anschließend in einem Personalentwicklungsgespräch abgeglichen und entsprechende Maßnahmen abgeleitet werden: Beispielsweise einerseits Weiterbildungsteilnahmen, falls eine Kompetenz nicht so ausgeprägt sein sollte, wie es für das Aufgabengebiet notwendig wäre. Anderseits können auch auf diese Weise Kompetenzressourcen seitens der Pflegenden sichtbar gemacht werden, die ggf. bisher noch nicht wirksam in die Arbeitsorganisation eingebunden wurden. Eventuell kann dann über eine neue Aufteilung der Tätigkeiten im Team nachgedacht werden. Die Erprobung wird mit Beschäftigten aller Qualifikationsniveaus bei den Praxispartnern durchgeführt.
  2. Begleitend wird für alle Praxisanleitungen der Praxispartner eine modulare Weiterbildung „Kompetenzorientierte Lernprozessbegleitung“ als Blended Learning angeboten. Ziel ist es, die Praxisanleitung hinsichtlich ihrer Ausbildungsarbeit zu professionalisieren, indem Themen wie Lernen im Prozess der Arbeit, Beratung und lösungsorientierte Kommunikation, Umgang mit Lernwiderständen und Diversität sowie die Förderung der Gesundheitskompetenz und die Reflexion der persönlichen Kompetenzentwicklung bearbeitet werden. Ein fester Bestandteil des Lehr-Lernkonzeptes sind Lerntransferaufgaben für die Teilnehmenden. Diese fokussieren die Übertragung der Lerninhalte in den eigenen Arbeitsbereich und somit auf die Zusammenarbeit im Team und mit den direkten Führungskräften. Auf diese Weise werden Praxisanleitungen betriebliche MultiplikatorInnen für eine kompetenzorientierte Arbeitsgestaltung.

3. Wie können die Methoden und Instrumente zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten bzw. zu deren Entlastung beitragen?

Indem Beschäftigte reflexiv mit ihren Kompetenzen umgehen, setzen sie sich zugleich mit den Bedingungen und Strukturen ihrer Arbeit auseinander. Sie stellen beispielsweise fest, dass sie zwar über Kompetenzen verfügen, diese jedoch aufgrund von Zeitmangel, nicht hinterfragten Routinen oder Teamkonflikten nicht einbringen können. Durch das strukturierte Personalentwicklungsgespräch können solche hinderlichen Faktoren identifiziert und bearbeitet werden. Ziel ist es dabei, nicht nur die Arbeitsbelastung zu reduzieren, sondern vor allem die Selbstwirksamkeitserfahrungen in der Arbeit zu stärken. Sich wirksam in der Arbeit zu erleben, erzeugt Handlungssicherheit, Motivation und stärkt die Ambiguitätstoleranz.

Die Personalentwicklungsgespräche ermöglichen den Führungskräften und Leitungen Veränderungsbedarfe hinsichtlich Strukturen, Ressourcen und Regeln in Bezug auf individuelle, kollektive und organisationale Ebene zu identifizieren. Auf diese Weise können die Prozesse der Kompetenz- und der Organisationsentwicklung aufeinander bezogen und verknüpft werden. Hierbei können auch die Praxisanleitungen unterstützend wirken, indem diese informelle Lernmöglichen, also Lernen in, mit und durch die Arbeit, schaffen. Dies trägt wiederum zur Stärkung der Selbstwirksamkeitsüberzeugungen der Beschäftigten bei.