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Drei Fragen an GIDA – Gute Interaktionsarbeit digital assistiert

„Drei Fragen an…“ ist ein Kurzinterview-Format, in dem Projekte aus dem Förderschwerpunkt über ihre Arbeit berichten.

Datum 17.12.2021

Neben dem demografischen Wandel, Kosten- und Effizienzansprüchen sowie einer heterogenen Kundenstruktur verändern auch digitale Technologien das Tätigkeitsfeld der Sozialen Arbeit. SozialpädagogInnen müssen nicht nur direkt mit KlientInnen interagieren, sondern auch über virtuelle Datenräume. Die zunehmenden Kommunikations- und Informationstechnologien stellen die Beschäftigten vor neue Herausforderungen. Zugleich bieten die Technologien jedoch eine neue Chance für eine innovative Arbeitsgestaltung und -organisation in dem Feld.

Durch die Entwicklung von interaktionsbezogenen, beteiligungsorientierten, menschengerechten und nachhaltigen Digitalisierungsstrategien will das Projekt GIDA den besonderen Anforderungen an die Soziale Arbeit gerecht werden. Digitale Assistenzsysteme sollen Unternehmen bei der Digitalisierung unterstützen, während digitale Lösungen die Qualität der Interaktionsbeziehung zwischen SozialarbeiterIn, KlientIn und Angehörigen steigern. Technische Instrumente wie eine KiTa- oder eine Kommunikations-App sollen zu einer verbesserten Arbeitssituation, -gestaltung und -organisation in der offenen Kinder- und Jugendarbeit beitragen. In einem Digitalisierungskompass werden abschließend die Projektergebnisse präsentiert und Best-Practice-Beispiele zur Entwicklung und Erprobung digitaler Lösungen sowie ein Handlungsleitfaden für digitale Transformationsprozesse bereitgestellt.

1.) Welche besonderen Herausforderungen bringt die Digitalisierung im Feld der Sozialen Arbeit mit sich?

Am Anfang der Digitalisierung steht die Entscheidung für ein bestimmtes Tool, gefolgt von einer zeitintensiven Implementierung, die gut durchdacht sein will. Für viele Standorte sind eine veraltete IT-Infrastruktur, ein Mangel an IT-Fachpersonal und die Abhängigkeit von Kostenträgern bei der Finanzierung der benötigten Hardware erste zentrale Herausforderungen. Die digitale Ausstattung betreffend, befindet sich die Trägerlandschaft mehrheitlich in einer nachholenden Modernisierung. Wir beobachten zudem, dass es den Geschäftsführungen an Steuerungskompetenzen fehlt und angestoßene Einführungsprozesse häufig ungleichzeitig und unkoordiniert ablaufen.

Weil die Soziale Arbeit sehr heterogen ist, gilt es ganz unterschiedliche digitale Lösungen für verschiedenartige Arbeitsrealitäten zu entwickeln und zu erproben. Während beispielsweise in Kitas digitale Elternkommunikation an Bedeutung gewinnt, wird in der offenen Kinder- und Jugendarbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen gearbeitet, wo digitale Medien ein wesentlicher Bestandteil des Alltags sind. Beim Einführungsprozess selbst stehen Fragen nach der Hardware und den benötigten Funktionalitäten im Fokus. Unterschätzt werden die langwierigen Implementationsprozesse und die sozialen Dimensionen der Digitalisierung.

Machtfragen, organisationale Veränderungen, Teamkonflikte oder Auswirkungen auf die Handlungsautonomie bleiben tendenziell außen vor. Im Ergebnis drohen nicht intendierte Folgeeffekte, beispielsweise in Form von neuen Belastungen wie Über- oder Unterforderung, einem Anstieg von Vorgaben und Kontrollen oder, dass Zeiteinsparungen ausbleiben und sich die Arbeitsmenge erhöht. In einigen Teilbereichen werden Einführungsprozesse zudem durch eine hohe Personalfluktuation und befristete Perspektiven der Beschäftigten erschwert.

2.) Wie wird Digitalisierung von den Beschäftigten wahrgenommen? Wer treibt diese voran?

Die Corona-Pandemie hat Digitalisierungsdefizite wie ein Brennglas verdeutlicht und Träger und MitarbeiterInnen vor ganz neue Herausforderungen gestellt: Zahlreiche Einrichtungen mussten geschlossen und Hygiene-Konzepte geschrieben werden. Viele Beschäftigte waren damit konfrontiert, ihre Zielgruppen nur noch auf digitalem Wege erreichen zu können. Einigen MitarbeiterInnen fällt dies besonders schwer, da sie befürchten den Umgang mit bestimmten Tools nicht zu erlernen. Zum Teil gibt es auch die Angst, die Arbeit mit den Menschen könne in den Hintergrund gedrängt werden, denn bisher hat die Digitalisierung für viele kaum eine Rolle gespielt. Wichtig ist es, diese Befürchtungen ernst zu nehmen und Beschäftigte frühzeitig zu informieren und mitzunehmen. Gleiches gilt für die Einbeziehung des Betriebsrats, hat dieser doch weitreichende Mitbestimmungsrechte im Bereich der Digitalisierung.

Auf der anderen Seite hat sich die Pandemie als ein Katalysator für Digitalisierung erwiesen. Führungskräfte standen plötzlich vor der Aufgabe die schon vor Corona angedachten Digitalisierungsstrategien nun auch praktisch anzugehen, haben Arbeitsgruppen gebildet und sich mit dem Anbietermarkt auseinandergesetzt. Auch viele Beschäftigte haben sich Gedanken gemacht und sich, häufig motiviert durch digitalisierungsaffine und jüngere KollegInnen, mit neuen Medien auseinandergesetzt. Unabhängig von Corona wünschen sich viele Beschäftigte digitale Tools, um die hohen Dokumentationsforderungen weniger zeitaufwändig erfüllen zu können und mehr Zeit für die Arbeit mit KlientInnen zu haben. Daher gehen Forderungen nach mehr Digitalisierung in der Sozialen Arbeit vielfach von MitarbeiterInnen oder mittleren Führungskräften aus. Wir sprechen hier von professionsgetriebener Digitalisierung, wobei der Fokus nicht auf betriebswirtschaftlichen Aspekten, sondern auf Entlastung, Zeitgewinnen und einer Verbesserung der Interaktions- und Arbeitsqualität liegt.

3) Welche Chancen sind mit dieser professionsgetriebenen Digitalisierung verbunden?

Digitalisierungsprozesse in der Kinder- und Jugendhilfe erfolgen vielfach Bottom-Up, angetrieben durch MitarbeiterInnen und Einrichtungsleitungen. Ein Grund hierfür ist, dass viele Leitungs- und Führungskräfte selbst aus der Praxis kommen und an Professionsaspekten interessiert sind. Dies eröffnet die Chance für umfassende Beteiligungsprozesse, die eine wichtige Voraussetzung für eine gelingende Umsetzung und Nutzung digitaler Tools sind. Vor diesem Hintergrund kann das eingangs genannte Steuerungsdefizit auch als Stärke interpretiert werden: An die Stelle strikter Vorgaben können beteiligungsorientierte Vorgehens- und Best-Practice-Modelle treten, die innerhalb des Trägers geteilt und kommuniziert werden. Eine Einrichtung, in der eine solche beteiligungsorientierte Implementation von Software bereits vollzogen wurde, hat den Generationenwechsel genutzt und jüngere KollegInnen nahmen eine Vorreiterrolle ein. Die Motivation weniger Dokumentation und Zeitersparnis zu haben, konnte auch den skeptischen KollegInnen vermittelt werden. Solch ein Vorgehensweise könnte nicht nur für die Soziale Arbeit exemplarisch sein, scheitern doch Digitalisierungsvorhaben nicht selten an mangelnder Beteiligung derjenigen, die damit arbeiten sollen.

Darüber hinaus liegen in der Digitalisierung Chancen für die betriebliche Mitbestimmung: Betriebs- und Personalräte können davon profitieren, wenn sie die mit der Digitalisierung verbundenen Hoffnungen und Wünsche ebenso betrachten, wie Ängste und Befürchtungen. Bisher haben VertreterInnen der betrieblichen Mitbestimmung noch wenig Wissen im Themenfeld, und treten eher zurückhaltend auf. In Auseinandersetzung mit der Digitalisierung sehen sie vornehmlich neue Möglichkeiten, Prozesse zu überwachen und Effizienz zu dokumentieren. Hier kritisch zu sein ist natürlich richtig, aber einseitig. Wollen sie ihre Mitbestimmungsrechte wahrnehmen sind sie gut beraten, sich auch mit den positiven Aspekten der Digitalisierung auseinanderzusetzten. Eine Softwarelösung kann beispielsweise ein Instrument sein, um Arbeitnehmervertretungen Überblickswissen zu verschaffen, um so z.B. Prozesse der Entgrenzung oder unbezahlter Mehrarbeit zu dokumentieren.