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Drei Fragen an eLLa4.0 – Gute Führung und Arbeit in der soziodigitalen Transformation

„Drei Fragen an…“ ist ein Kurzinterview-Format, in dem Projekte aus dem Förderschwerpunkt über ihre Arbeit berichten.

Datum 29.03.2021

Die soziotechnische Transformation im digitalen Zeitalter und das sich wandelnde betriebliche Zusammenspiel zwischen Mensch, Technik und Organisation stellt Führungskräfte vor neue Herausforderungen. Wie die Potentiale der Digitalisierung genutzt werden, hängt in hohem Maße vom Führungsverständnis sowie den Fähigkeiten der Führungskräfte ab, Digitalisierungsprozesse so zu lenken, dass Partizipations- und Mitgestaltungsansprüche der Beschäftigten wirksam werden.

Das Projekt eLLa4.0 hat sich zum Ziel gesetzt, Führungskräfte durch den Aufbau von Interaktionskompetenzen zur Steuerung soziodigitaler Systeme zu befähigen. Zu diesem Zwecke sollen die Potenziale neuer Lernumgebungen (Demonstrationsfabrik und Future Worklab) erschlossen bzw. passende, zielgruppengerechte Qualifizierungsmodule entwickelt und in dem Angebot eines Zertifikatskurses „Exzellente Soziodigitale Führung“ gebündelt werden. „Gute“ Führung zielt nicht darauf ab, Maßstäbe, Regeln, Gebote oder Rezepte für moralisch gute oder schlechte Führungshandlungen zu formulieren. Vielmehr handelt es sich um Orientierungsvorschläge und Erfahrungswerte, denen arbeitswissenschaftliche Gestaltungskriterien und -konzepte, Erfahrungen aus anwendungsorientierten Forschungsprojekten und Ergebnisse aktueller Studien und Praxiserfahrungen zu Anforderungen von Führung in der digitalen Transformation zugrunde liegen.

1. Wie verändert die Digitalisierung die Führung im Allgemeinen? 

Folgt man den Aussagen eines Großteils aktueller Umfragen und Expertisen zur Zukunft von Führung in der digitalen Transformation lautet der Befund unisono, Führung bleibe wichtig oder werde sogar noch wichtiger. Betrachtet man die Beschreibungen der „neuen“ Herausforderungen der Arbeitswelt als Bezugspunkte von Führung, stößt man überwiegend auf „alte Bekannte“. Die vielfach zitierte VUCA-Welt in der die Rahmenbedingungen von Organisationen durch Volatilität, Unsicherheit, Komplexität sowie Ambiguität gekennzeichnet werden und erste hierauf bezogene Führungskonzepte, können fast ihr 30-jähriges Jubiläum feiern (Bennis & Nanus 1996). Die zunehmende Bedeutung von Wissensmanagement, hybride Wertschöpfungskonzepte, horizontale und vertikale Vernetzungstendenzen, die Dezentralisierung von Wissen, Projektifizierung, Teamarbeit, Selbstorganisation und -kontrolle, Agilität, „Führen auf Distanz“ u.v.m. sind keine Novitäten.

Es besteht weitgehende Einigkeit darin, dass disziplinarisch-hierarchisches bzw. autoritär-kontrollierendes Führen gegenüber vertrauensbasiertem, selbstorganisationförderlichem Empowerment an Bedeutung verliert und damit Machtverluste der Führungskräfte verbunden sein können. Vor diesem Hintergrund wurden eine Reihe neuer Führungskonzepte entwickelt (bspw. Laterales Führen, Transformationale Führung, Verteilte Führung). Traditionell hierarchische und stabilitätsorientierte Interaktionssysteme treten also in den Hintergrund und werden durch agile, selbstorganisierte netzwerkförmige Kommunikations- und Kooperationsprozesse d.h. durch dynamikorientierte Interaktionssysteme als Bezugspunkt von Führung überlagert. Dieser Trend wird durch Digitalisierung beschleunigt.

2. Wie gut sind die Führungskräfte momentan auf das digitale Zeitalter vorbereitet und wie können sie sich vorbereiten?

Pauschal lässt sich diese Frage kaum beantworten. Geht man davon aus, dass es sich bei Führung in digitalisierten Arbeitswelten weiterhin um Führung von Menschen für Menschen handelt, geht es im Kern weniger um die Revolutionierung bestehender Führungsansätze oder um die Entwicklung völlig neuer Kompetenzen, sondern um Sensibilisierungen, Anpassungen, Akzentuierungen entsprechend veränderter Möglichkeiten technikbasierter Interaktion und teilweise auch um eine Rückbesinnung auf die Kernfunktion von Führung.

Gleichwohl steigt natürlich der Bedarf an Fähigkeiten, sich in partizipativer Weise mit Digitalisierungstechnologien auseinanderzusetzen, sie zu bewerten, zu gestalten, ihre Wirkung zu beobachten und inkrementell anzupassen. Die digitalunterstützte zunehmende Vernetzung entlang der Wertschöpfungskette erweitert und verändert den Informations- und Interaktionsraum als Bezugspunkt von Führung (z.B. erweiterte Interaktionsdistanzen, Zunahme der Anzahl und Diversität von Interaktionsakteuren, veränderte Interaktionskanäle, erhöhte Interaktionsgeschwindigkeiten). Akteurs- und Handlungskonstellationen bzw. Rollen- und Handlungsträgerschaften (innerhalb des sozialen Systems aber auch zwischen menschlichen und technologischen Akteuren/Agenten) müssen zunehmend situativ austariert, orchestriert und neukonfiguriert werden. Hierauf sind Führungskräfte bisher nicht ausreichend vorbereitet.

Dies mag auch daran liegen, dass bisher forschungsbasierte Weiterbildungsangebote fehlen. Neuere Untersuchungen zeigen weitgehend übereinstimmend, dass die Ermöglichung von Vernetzung, Selbstorganisation und Selbstkontrolle durch Empowerment, Kulturentwicklung, sinngebende und persönlichkeitsentfaltende Aufgaben zu zentralen Aufgaben von Führung werden. Allerdings liefern sie kaum konkrete und differenzierte Beschreibungen der damit einhergehenden Veränderungen der Führungspraktiken. Wie hierarchische Interaktions- und Kontrollmuster sich wandelnd fortbestehen, welche Ausprägungen und Wirkungen netzwerkförmige Interaktionsmuster für Führung und Beschäftigte haben (bspw. Zunahme an Fliehkräften, Informalität, Konfliktpotenzialen, Interaktionsbedarfen), aber auch welche Erscheinungsformen und Effekte sich aus dem spannungsreichen Ineinandergreifen beider Logiken ergeben bzw. welche Macht-, Entscheidungs- Kontroll- und Belastungsmuster sich herausbilden, bedarf zunächst differenzierterer Erfassung und dann einer Übersetzung in komplexitätsadäquate Weiterbildungsangebote für Führungskräfte.

3. Welche Kompetenzen sind für gute soziodigitale Führung besonders wichtig?

Für gute Führung in der soziodigitalen Transformation ist eine Vielzahl an Kompetenzen relevant und notwendig. Diese Liste auf einige besonders wichtige Kompetenzen zu reduzieren, wird der Sache nicht gerecht. Die vielen Fähigkeiten können aber sechs übergeordneten Kompetenzbereichen zugeordnet werden. Dabei handelt es sich um die digitalen und Medienkompetenzen, analytische und Planungskompetenzen, wirtschaftliche Kompetenzen, Führungskompetenzen, persönliche Kompetenzen und Fachkompetenzen.

Die Bedeutung von digitalen Kompetenzen und Medienkompetenzen sollte in der soziodigitalen Transformation wohl kaum jemanden überraschen. Kommunikation und Zusammenarbeit findet vermehrt über Distanz und mithilfe digitaler Tools statt, das entsprechende technische Know-how und die Fähigkeit, mit solchen Tools effektiv umzugehen, ist daher unerlässlich. Anders als die digitalen und Medienkompetenzen waren analytische und Planungskompetenzen auch schon lange vor der Digitalisierung ein fester Bestandteil guter Führung. Altbekannte Kompetenzen, wie eine gute Auffassungsgabe, Koordinationsfähigkeit oder auch Problemlösungskompetenzen sind in der soziodigitalen Transformation weiterhin von Bedeutung. Nun gilt es diese weiterzuentwickeln und an die verschiedenen Technologien in den Berufs- und Tätigkeitsfeldern anzupassen. Ähnliches gilt auch für den Kompetenzbereich der wirtschaftlichen Kompetenzen. Auch diese waren schon immer relevant und werden es auch in Zukunft weiterhin sein. Es gilt diese nun adäquat an die neuen Anforderungen, wie beispielweise den Zugriff auf Daten und deren Analyse bezüglich der Arbeitsprozesse, anzupassen. Führungskompetenzen können grundsätzlich alle Fähigkeiten beschreiben, die eine Führungskraft besitzt oder benötigt. Im Zusammenhang mit dem hier aufgelisteten Kompetenzbereich beziehen sich Führungskompetenzen aber auf Kompetenzen im Sinne der Begleitung, Leitung und Lenkung von Mitarbeitenden. Konkrete Fähigkeiten, die unter diesen Bereich fallen sind z.B. die Fähigkeit situativ zu führen, Entscheidungsfähigkeiten oder auch das Coaching der Mitarbeitenden. Bei den persönlichen Kompetenzen handelt es sich um den umfangreichsten Kompetenzbereich. Er umfasst diverse individuelle Eigenschaften und reicht von der Lernbereitschaft, der emotionalen Intelligenz und persönlichen Reife der Führungskraft bis hin zur Reflexionsfähigkeit, also der Fähigkeit eigene Handlungen und Entscheidungen kritisch zu hinterfragen.

Neben all den überfachlichen Fähigkeiten, die in der soziodigitalen Transformation in den Vordergrund rücken, müssen jedoch auch die Fachkompetenzen weiterhin in das Portfolio für „gute Führung“ berücksichtigt werden. So haben diese zwar etwas an Bedeutung verloren, sie jedoch als irrelevant für gute soziodigitale Führung zu bezeichnen, dies würde den aktuellen Stand der Diskussion bei Weitem nicht gerecht werden.

 

Unter https://ellaviernull.de/ können Sie zusätzlich lesen, wie digitale Methoden die innerbetriebliche Kommunikation und Interaktion unterstützen und bei der Gestaltung neuer Führungsgansätze helfen können.