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Aus der Forschung

Wissenschaftliche Perspektiven auf Interaktionsarbeit

Interaktionsarbeit hat in den vergangenen Jahrzehnten in der wissenschaftlichen Debatte an Bedeutung gewonnen. Während sich der Begriff in der deutschen Arbeits- und Organisationspsychologie, den Arbeitswissenschaften sowie der Arbeitssoziologie seit den 2000er Jahren in unterschiedlichem Ausmaß etablieren konnte, ist und bleibt Interaktionsarbeit in der internationalen Debatte noch immer ein Randphänomen.

Die Anfänge der Interaktionsforschung liegen in den USA; die Chicago School (die Abteilung für Soziologie der Universität Chicago, die den sogenannten Symbolischen Interaktionismus geprägt hat) hat bereits in der Nachkriegszeit Studien hervorgebracht, die die Besonderheiten von sozialen Interaktionen in der Dienstleistungsarbeit hervorheben (beispielsweise Goffman, 1973 oder Strauss, 1978).

Ein wichtiger Meilenstein für die Forschung in Deutschland war eine Publikation von Badura und Gross (1977), die Dienstleistungen als soziale Angelegenheiten theorisiert, die aus der Ko-Produktion zwischen Beschäftigten und Kunden resultieren. Jene Ko-Produktion – die zwingend für die Erstellung der Dienstleistung benötigt wird – beeinflusst deren Gelingen und Qualität.

Mittlerweile gibt es in der nationalen Debatte eine Vielzahl konzeptioneller und empirischer Beiträge zum Thema Interaktionsarbeit, die vor allem seit den 1990er Jahren erschienen sind. Viele dieser Beiträge beziehen sich auf zwei Arten von Ansätzen, die die nationale Forschung und Debatte zum Thema Interaktionsarbeit maßgeblich geprägt haben: das Konzept der dialogisch-interaktiven Arbeit (Hacker, 2009), welches seinen Ursprung in der Arbeitspsychologie hat sowie die miteinander verbundenen Konzepte der interaktiven Arbeit (Dunkel und Weihrich, 2012) bzw. Interaktionsarbeit (Böhle und Glaser, 2006) bzw. integriertes Konzept der Interaktionsarbeit (Böhle, 2011), die sich allesamt in der Arbeitssoziologie verorten.

In der internationalen wissenschaftlichen Debatte konnte sich das Konzept der Interaktionsarbeit bislang kaum etablieren. Wenngleich Interaktionsarbeit implizit in vielen Publikationen thematisiert wird, erfolgt keine Benennung. Dennoch spielt Interaktionsarbeit vor allem in zwei anhaltenden Debatten eine große Rolle. Zum einen in der transdisziplinären Debatte zum Thema Emotional Labour, welche durch das von der Soziologin A. Hochschild publizierte Buch „The Managed Heart“ ausgelöst wurde. Das Buch zeigt anhand des Beispiels von Flugbegleitern auf, dass Beschäftigte im Rahmen ihrer Tätigkeit ihre eigenen Gefühle verschleiern müssen bzw. diese an die geltenden „Gefühlsregeln“ ihrer Organisation anpassen müssen. Daher thematisiert die Emotional Labour Debatte die Rolle von Gefühlen in Interaktionen mit Kunden. Zum anderen hat sich seit den 1990er Jahren eine Debatte zum Thema Service Work entwickelt, die sich vor allem in der Soziologie und Sozioökonomie verortet. Jene Debatte hat beispielsweise den Begriff des Service Triangle bzw. Dienstleistungsdreiecks geprägt, welches Beschäftigte, Organisationen und Kunden als Hauptakteure im Dienstleistungsprozess sieht (Leidner, 1993). Überdies hat M. Korczynskis (2002) sozioökonomisches Konzept der Customer-oriented Bureaucracy – welches den schwierigen Spagat zwischen Kundenorientierung und betriebswirtschaftlicher Effizienz betont – die Debatte maßgeblich beeinflusst. Seine Argumentation beruht auf der These, dass die Präsenz von Kunden innerhalb des Dienstleistungsdreiecks alle Facetten der Arbeitsorganisation und -gestaltung beeinflusst.

Generell lässt sich beobachten, dass es in der nationalen und insbesondere in der internationalen Debatte in verschiedenen Disziplinen eine Vielzahl wissenschaftlicher Arbeiten gibt, die soziale Interaktionen zwischen Beschäftigten und Kunden implizit thematisieren, ohne Interaktionsarbeit explizit in den Vordergrund zu stellen bzw. zu benennen. Dies mag sowohl an der Komplexität und Vielschichtigkeit sowie der Interdisziplinarität des Konzepts liegen – gleichwohl kann es als Indiz dafür verstanden werden, dass die Debatte zum Thema Interaktionsarbeit gestärkt werden sollte. Der Förderschwerpunkt „Arbeiten an und mit Menschen“ des BMBF leistet dazu einen wesentlichen Beitrag.