Versorgungsprozesse digital unterstützen für die Gestaltung guter Interaktionsarbeit (ProDigA)
Gute Versorgungsprozesse durch digital unterstützte Dienstleistungsarbeit |
Versorgung aus einer Hand trotz einer Vielzahl an Dienstleistern: In der Pflege von Patienten mit komplexen neurologischen Erkrankungen wäre das der Idealzustand. Im Projekt ProDigA wird daher ein Online-Versorgungsnetzwerk aufgebaut, in dem Dienstleister, Fachkräfte und Patienten mit einem Koordinator verbunden sind. Ziel ist die Entwicklung einer benutzerfreundlichen Dienstleistungsplattform zur Vernetzung aller Akteure im Pflegeprozess.
Projektüberblick
Förderbekanntmachung: |
Zukunft der Arbeit: Arbeiten an und mit Menschen | |
Laufzeit: |
01.04.2020 bis 31.03.2023 | |
Schlagworte: |
Dienstleistungsnetzwerk, | |
Anwendungsfelder: |
Gesundheits- und Versorgungsdienstleistungen | |
Selbsteinschätzung des Projekts in zentralen Dimensionen:
| ||
Kontakt: |
Prof. Dr. Volker Hielscher Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft e.V. Trillerweg 68, D-66117 Saarbrücken Tel.: +49 (0) 681 - 954240 | |
Weblink: |
Projektspezifikation
Projektabstract
Eine qualitativ hochwertige Versorgung von Menschen mit komplexen Erkrankungen ist von einem intensiven Austausch zwischen PatientIn und den am Versorgungsprozess beteiligten Dienstleistern abhängig. Unterschiedliche Einschränkungen, die sich im Krankheitsverlauf ständig verändern können, erfordern eine kontinuierliche Anpassung der Hilfs‐ und Heilmittel, der benötigten Medikamente sowie der therapeutischen Angebote und haushaltsnahen Dienstleistungen.
Für die PatientInnen ist es entscheidend, dass sie ihre eigenen Wünsche und Bedarfe an die Versorgung artikulieren und an der Umsetzung schnellerer und passgenauerer Lösungen mitwirken können. Die Fachkräfte der Dienstleister bedürfen teilweise der Sensibilisierung und Unterstützung für Interaktionssituationen mit Menschen, die sich aufgrund ihrer Erkrankung nur noch eingeschränkt sprachlich artikulieren können. Da bei dieser Zielgruppe der Versorgungsmix nicht von einem einzigen Dienstleister allein erbracht werden kann, trägt auch die Interaktion der einzelnen Dienstleister untereinander entscheidend zur Versorgungsqualität bei. Es bedarf einer interdisziplinären Zusammenarbeit der am Versorgungsprozess Beteiligten, um Fehl- oder Doppelversorgungen zu vermeiden. Bis dato gelingt es jedoch nur selten, die Versorgung „aus einer Hand“ zu organisieren.
Im Rahmen des Forschungsprojekts ProDigA wird deshalb eine bestehende Versorgungsplattform durch verschiedene Module ausgebaut, in der die unterschiedlichen Dienstleister, Fachkräfte und PatientInnen miteinander verbunden werden. Durch die Beiträge des Projekts sollen die Interaktions- und Informationsmöglichkeiten erweitert und so die Interaktion der beteiligten Akteure gefördert und erweitert werden. Gleichzeitig können sich die PatientInnen stärker in den Aufbau ihres individuellen Dienstleistungsnetzwerks einbringen, was zur Förderung der Patientenautonomie und der Selbstständigkeit beiträgt.
Verständnis von Interaktionsarbeit
Die Interaktionssituationen in diesem Anwendungsfeld sind durch besondere Charakteristika gekennzeichnet: Zum einen befinden sich die PatientInnen mit ihrem komplexen Versorgungsbedarf in einer starken Abhängigkeitssituation von den Dienstleistern. Die Interaktion findet daher gerade in fortgeschrittenem Krankheitsstadium unter asymmetrischen Bedingungen statt. Zum anderen sind die sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten krankheitsbedingt deutlich verlangsamt oder nicht mehr vorhanden, so dass technische Hilfsmittel genutzt werden müssen. Im Fokus steht daher die direkte, aber auch die technisch vermittelte Interaktion zwischen PatientIn und Dienstleister (B2C). Hierbei geht es um die Herstellung von „Augenhöhe“ zwischen professionell Handelndem und PatientIn und um die Frage, wie die Klientenperspektive in die Artikulation der Dienstleistungs‐ und Versorgungsbedarfe einfließen kann. Gerade bei der Nutzung von Systemen zur Kommunikationsunterstützung kommen zudem Aspekte der Mensch-Maschine-Interaktion hinzu, die die Voraussetzung für die gelingende Interaktion von Mensch zu Mensch darstellen.
Projektziel
Im Rahmen des Forschungsprojekts ProDigA wird ein onlinebasiertes Versorgungsnetzwerk (Ambulanzpartner-Soziotechnologie) ausgebaut, in dem die unterschiedlichen Dienstleister, Fachkräfte und PatientInnen über einen Koordinator verbunden sind. Dadurch wird die Interaktion der beteiligten Akteure gefördert und erweitert. Die involvierten Arbeitskräfte werden durch digitalisierte Elemente in ihrem Arbeitsprozess entlastet, wodurch die Qualität der Versorgung steigt und die Zeit bis zur Erbringung einer Dienstleistung verkürzt wird. Gleichzeitig können sich die PatientInnen stärker in den Aufbau ihres individuellen Dienstleistungsnetzwerks einbringen, was zur Förderung der Patientenautonomie und der Selbstständigkeit beiträgt.
Ausgangslage bzw. Motivation zum Projekt
Viele Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen haben einen komplexen Versorgungsbedarf, der nicht von einem einzigen Dienstleister erbracht werden kann. Zu einer qualitativ hochwertigen Versorgung bedarf es unterschiedlicher Akteure, die zum Teil hochspezialisierte Leistungen erbringen und in einem (mehr oder weniger) umfangreichen multiprofessionellem Versorgungsnetzwerk zusammenarbeiten. Für PatientInnen und deren Angehörige sind damit umfangreiche Herausforderungen verbunden, wie etwa Aufbau und Management eines Netzwerks aus zahlreichen Dienstleistern, die im Grunde unabhängig voneinander agieren und teilweise unterschiedlichen Handlungslogiken folgen. Menschen in einer vulnerablen Situation können damit schnell überfordert sein und benötigen Hilfe bei der Organisation eines leistungsfähigen Versorgungssettings. Doch trotz vorhandener Leistungsansprüche gelingt es bis dato kaum, eine Versorgung durch unterschiedliche Fachkräfte „aus einer Hand“ zu organisieren. Plattformen scheitern häufig an den hochkomplexen Koordinierungsaufgaben und an fehlenden Geschäftsmodellen. Das Vorhaben soll also sowohl dazu beitragen, Versorgungssettings zu verbessern also auch die Interaktionsarbeit innerhalb dieser Systeme zu gestalten und die beteiligten Fachkräfte zu entlasten.
Forschungsgegenstand
In ProDigA geht es schwerpunktmäßig um die Bedeutung von Interaktion in komplexen Dienstleistungsnetzwerken. Am Beispiel von Menschen mit schweren neurologischen Erkrankungen und mit komplexen Versorgungsbedarfen soll untersucht werden, wie ein Dienstleistungsnetzwerk etabliert werden kann, das die individuellen Bedarfe eines PatientInnen konsequent in den Mittelpunkt stellt und gleichzeitig die Erfordernisse einer qualitativ hochwertigen Dienstleistungserbringung berücksichtigt. Dazu wird die bestehende Ambulanzpartner-Plattform weiterentwickelt. Eine wesentliche Grundfrage des Projekts besteht darin, wie die Interaktions- und Mitwirkungsmöglichkeiten durch die technischen Prozesse unterstützt und zu den Leistungsprozessen der Dienstleister kompatibel gemacht werden können.
Im Idealfall können die Versorgungsprozesse optimiert und gleichzeitig die Arbeitsbedingungen der Fachkräfte der Dienstleister verbessert werden.
Forschungsfragen
- Welche Potenziale besitzen Informations- und Kommunikationstechnologien für die Gestaltung von Interaktionsprozessen zwischen PatientIn und Dienstleister? Welche Anforderungen ergeben sich an eine professionelle Interaktionsgestaltung?
- In welchem Verhältnis stehen technische und nicht-technische Maßnahmen für die Unterstützung von anspruchsvollen Interaktionssituationen?
- Wie kann eine Unterstützung der Patientenmitwirkung technisch sinnvoll unterlegt und mit den Geschäftsprozessen der Dienstleister sinnvoll verknüpft werden?
- Inwieweit können technische Plattformen und Geschäftsmodelle die unterschiedlichen Handlungslogiken und Interessen der verschiedenen Akteure in dynamisch und interdisziplinär arbeitende (Versorgungs-)Netzwerke integrieren?
Forschungsdesign und -methodik
Im Rahmen des Vorhabens werden qualitative und quantitative methodische Instrumente kombiniert. In einer ersten Bestandsaufnahme wurden PatientInnen zu ihrer Versorgungssituation und zu den von ihnen wahrgenommenen Mitwirkungsmöglichkeiten und den Interaktionsanforderungen im Rahmen leitfadengestützter Interviews befragt. Auf dieser Basis wurden Gestaltungselemente entwickelt, die einer modellhaften Erprobung unterzogen wurden. Dabei kam eine iterative Entwicklungsmethodik zum Einsatz, um einen kontinuierlichen Anpassungs‐ und Verbesserungsprozess zu gewährleisten. So sind bereits frühzeitig Erprobungs- und Evaluationsphasen in die Entwicklung der Modellelemente eingeflossen.
Bei der Evaluation der Maßnahmen kommen sowohl quantitative als auch qualitative Erhebungen zur Usability und zur Interaktionsqualität zum Einsatz, wie standardisierte Befragungen, teilnehmende Beobachtung oder leitfadengestützte Interviews mit PatientInnen und Dienstleistern.
Projektkonsortium
Projektkoordinator | ||
Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft e.V. (iso) | ||
Wissenschafts- oder Praxispartner: Wissenschaftspartner | Branche: Wissenschaft | Standort (Hauptsitz): Saarbrücken |
Aufgabe im Projekt: Konzeptanalyse, Entwicklung eines technisch unterstützten personenbezogenen Dienstleistungssystems | ||
Kurzbeschreibung zum Partner: Das Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft e.V. betreibt anwendungsorientierte sozialwissenschaftliche Forschung und Beratung für Partner aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung. Die wechselseitige Vermittlung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Praxis in Unternehmen, Organisationen und Gesellschaft steht im Mittelpunkt der Arbeiten des Instituts. Ein Arbeitsschwerpunkt bildet dabei die anwendungsorientierte Forschung zur Gestaltung von Dienstleistungen und zur Entwicklung und Handhabung von Technologien in der Mensch-Technik-Interaktion. Wesentliche Forschungs- und Gestaltungsfelder sind Alltagsunterstützende Assistenzsysteme und die darauf aufbauenden hybriden Dienstleistungssysteme. Weitere Schwerpunkte sind „Alter und Pflege“ und die Entwicklungsdynamik des Dienstleistungssektors, die Verknüpfung von Produktions- und Dienstleistungssektor sowie sozialwissenschaftliche Technikforschung. | ||
Projektpartner | ||
Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO | ||
Wissenschafts- oder Praxispartner: Wissenschaftspartner | Branche: Wissenschaft | Standort (Hauptsitz): Stuttgart |
Aufgabe im Projekt: Anforderungsanalyse, kollaborative Gestaltung und Test von Geschäftsmodellen für personenbezogene Dienstleistungssysteme | ||
Kurzbeschreibung zum Partner: Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) entwickelt gemeinsam mit Unternehmen, Institutionen und Einrichtungen der öffentlichen Hand Strategien, Geschäftsmodelle und Lösungen für die digitale Transformation. Es beschäftigt sich dabei unter anderem mit Fragestellungen rund um den arbeitenden Menschen und unterstützt Unternehmen dabei, die Potenziale innovativer Organisationsformen sowie zukunftsweisender Technologien zu erkennen, individuell auf ihre Belange anzupassen und konsequent einzusetzen. Die Bündelung von Management- und Technologiekompetenz gewährleistet, dass wirtschaftlicher Erfolg, Mitarbeiterinteressen und gesellschaftliche Auswirkungen gleichwertig berücksichtigt werden. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Dienstleistungen und Dienstleistungsarbeit bildet einen wesentlichen Arbeitsschwerpunkt des Instituts. |
Projektpartner | ||
Charité - Universitätsmedizin Berlin, Neurologische Hochschulambulanz | ||
Wissenschafts- oder Praxispartner: Wissenschaftspartner | Branche: Gesundheitswesen | Standort (Hauptsitz): Berlin |
Aufgabe im Projekt: Entwicklung eines sozialmedizinischen Ansatzes interdisziplinärer und interaktiver Patientenversorgung | ||
Kurzbeschreibung zum Partner: Die Charité ist Deutschlands größtes Universitätsklinikum. Die Neurologische Hochschulambulanz (NH) ist als eigene Arbeitsgemeinschaft an die Charité – Universitätsmedizin Berlin angegliedert. Die NH bietet Spezialsprechstunden zu neurologischen Erkrankungen und beschäftigt 4 Mitarbeitende. Sie nutzt einen sozialmedizinischen Ansatz der interdisziplinären Behandlung von Menschen mit komplexen neurologischen Erkrankungen und etablierte eine Arbeitsgruppe rund um das Themenfeld der Versorgungsforschung. Ebenso nutzt die NH bereits das Case-Management des „Ambulanzpartner Versorgungsportals“ (APVP), um die Hilfs- und Heilmittelversorgung sowie die Ernährungs- und Medikamentenversorgung ihrer PatientInnen mit komplexen Versorgungsbedarfen digital zu unterstützten. | ||
Projektpartner | ||
Pflegewerk Berlin GmbH, Projektwerk | ||
Wissenschafts- oder Praxispartner: Praxispartner | Branche: Gesundheitswesen | Standort (Hauptsitz): Berlin |
Aufgabe im Projekt: Implementierung und Testung des online-basierten Versorgungssystems im Rahmen der außerklinischen Intensivpflege | ||
Kurzbeschreibung zum Partner: Die Pflegewerk Managementgesellschaft mbH ist als Unternehmensgruppe bundesweit aufgestellt, betreibt ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen sowie betreute Wohnformen; ferner ist Pflegewerk mit eigenen Einrichtungen der außerklinischen Intensivbetreuung insbesondere für beatmete PatientInnen tätig und verfügt über Hospize, MVZ, ambulante Therapieeinrichtungen, einen Krankentransportdienst und zwei Fort- und Weiterbildungseinrichtungen. Über das Projektwerk unterstützt es die Förderung von Wissenschaft und Forschung im Gesundheitswesen, insbesondere im Rahmen der Pflegeforschung. Dafür werden aktiv Kooperationen mit Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen gepflegt. Die Projektvorhaben umfassen Forschungsaktivitäten verschiedener Bundesministerien, Krankenkassen sowie internationale Studien insbesondere zur Telematik. Die Unternehmensgruppe engagiert sich für die Herausgabe einer wissenschaftlichen Fachbuchreihe. | ||
Projektpartner | ||
Ambulanzpartner Soziotechnologie APST GmbH | ||
Wissenschafts- oder Praxispartner: Praxispartner | Branche: Gesundheitswesen | Standort (Hauptsitz): Berlin |
Aufgabe im Projekt: Entwicklung und Testung neuer Technologien zur Unterstützung interaktiver Dienstleistungsarbeit im Versorgungsnetzwerk | ||
Kurzbeschreibung zum Partner: APST ist eine Ausgründung der Charité. Die Firma ist ein Pionier in der Digitalisierung des Versorgungsmanagements und seit April 2011 Betreiberin des „Ambulanzpartner Versorgungsportal“ (APVP). Das APVP ist eine digital unterstützte Versorgungskoordination für chronisch kranke Menschen, in welchem über ein Case-Management die Hilfs- und Heilmittelversorgung der dort registrierten PatientInnen koordiniert wird. Das APVP vereint diese Case-Management-Architektur mit einem Internetportal. Die Kernkompetenz der APST ist die Entwicklung, Prototypisierung, Umsetzung und Vermarktung einer hybriden IT- und Dienstleistungs-Architektur der Hilfs- und Heilmittel- sowie Medikamentenversorgung. | ||
Projektpartner | ||
TalkTools GmbH | ||
Wissenschafts- oder Praxispartner: Praxispartner | Branche: Gesundheitswesen | Standort (Hauptsitz): Mühlheim an der Ruhr |
Aufgabe im Projekt: Testung des Versorgungssystems unter besonderer Berücksichtigung der technischen Komponenten, Ergebnistransfer in die Praxis | ||
Kurzbeschreibung zum Partner: TalkTools GmbH ist seit 2011 in Deutschland führender Anbieter für Hilfsmittel im Gesundheitswesen in den Bereichen
Der Schwerpunkt ist dabei auf eine komplexe Hilfsmittelversorgung von PatientInnen mit neuromuskulären Erkrankungen ausgerichtet. Ziel ist es, den Betroffenen eine bestmögliche Versorgung für den höchstmöglichen Grad einer selbständigen Lebensführung zukommen zu lassen. |